Mittwoch, 25. April 2012

Dirty Dancing, Oberhausen, 19. April 2012


Zu Anfang ein kleines Quiz: Was haben Holland, ein Brett und Dirty Dancing gemeinsam? Richtig, alle drei sind ziemlich flach! Und davon durfte ich mich nun ‚endlich‘ auch persönlich überzeugen.
Alle, die jetzt glauben, ich hätte tatsächlich Geld für diesen Schund ausgegeben, kann ich beruhigen: Mir flatterte zwecks „Qualitätssicherung“ (wobei ich mir denke, was man nicht hat, kann man nicht sichern) eines schönen Tages eine Freikarte ins Haus, was ich dann – obwohl ich so meinen, im Nachhinein leicht ironisch anmutenden, Vorsatz, mir die Show noch nicht mal gratis anzutun, über Bord werfen musste – doch nutzen wollte; wenn ich der Stage schon sonst immer mein Geld in den Rachen schmeiße…

Credit: Stage Entertainment
Für die ganz Neugierigen kann ich eines schon mal vorwegnehmen: Dirty Dancing hat mir – surprise, surprise – nicht wirklich gefallen. Könnte vielleicht zum Teil auch daran liegen, dass schon meine Grundeinstellung im Voraus nicht sehr positiv war. Als ich dann vor dem Theater stand, kamen mir kurz die Kotzebröckelchen hoch: Dunkelrote Fassade und assipinkes Plakat, eine nicht gerade gelungene Kombination. Der nächste Schlag traf mich im Saal. Da, wo vor nicht mal einem Jahr noch exotische Weinranken die Wände geziert hatten, war jetzt alles grau verkleidet, ich kam mir vor, wie in einem Bunker; nicht gerade ein Stimmungsaufheller. Umso enthusiastischer war dafür das Publikum um mich herum, bestehend aus vornehmlich mittelalten Damengrüppchen und verliebten Pärchen – juhu. Nicht.
Da ich de „Kultfilm“ nie gesehen habe, kann ich nicht genau sagen, was von der Handlung zum Original gehört und was für die Bühnenversion dazugeschrieben wurde, insgesamt ist die Story aber recht anspruchslos und ziemlich vorhersehbar, wenn auch für mich persönlich die Liebesgeschichte keinen rechten Sinn ergeben hat. Es herrschte keinerlei Chemie zwischen Baby und Johnny; er war weder sexy, noch ein Typ, in den man sich auch nur auf irgendeine Weise verlieben würde. So wirkte das erste Mal der beiden zusammenhanglos und maßlos ‚over the top‘. Der zwanghafte Versuch, alles aus dem Film mit auf die Bühne zu bringen (dass viele Sachen (natürlich) aus dem Original kamen, konnte ich aus den Reaktionen des Publikums erahnen) ist definitv gescheitert, denn das stört den Fluss der Handlung wirklich enorm. Die schnellen, vielen Szenenwechsel machen es schwer, sich in das Stück einzufinden, was durch die Musik noch verschlimmert wird, denn eben diese bringt die Handlung nicht vorwärts, sondern unterbricht sie immer wieder. Außerdem gibt es einfach zu viele relativ unwichtige Handlungsstränge und Charaktere, die Verwirrung stiften und nicht unbedingt zusammenpassen. Es scheint, als seien die Fäden von der Regie nicht ausreichend verknüpft worden, vieles bleibt nur angestoßen und nicht bis zu Ende durchdacht. Auch die Darsteller wirken streckenweise schlicht alleingelassen und wissen entweder nicht, was sie tun sollen, oder wieso sie das tun, was sie tun, weshalb sich die schauspielerische Leistung zum Teil erschreckenderweise beinahe auf ‚Mitten im Leben‘-Niveau bewegte.
Zwar sah die Show vom Bühnenbild und den Tanzeinlagen her nicht unbedingt billig aus, aber die ansehnliche Ausstattung kann das lack der platten Storyline auf keinen Fall ausgleichen. Dazu waren auch die Animationen auf der LED-Wand größtenteils schlecht, so zum Beispiel bei der ersten Liebesnacht der Hauptcharaktere. Den Versuch, mit dem Kampf für die Rechte der Schwarzen, ein bisschen Tiefgründigkeit ins Stück zu bringen, erachte ich ebenfalls als gescheitert. Die Qualität der Gesangseinlagen war überraschend gut. Zwar war der Text selten verständlich, da die Musik die Sänger um Längen übertönt hat und der Akzent teilweise extrem war (so war ich mir zum Beispiel am Anfang nicht sicher, ob es Deutsch oder Englisch war), doch insgesamt besser als erwartet.

Credit: Stage Entertainment
Jenny Bach als Baby war okay, aber nicht unbedingt herausragend, was aber wohl eher an der eindimensionalen Rolle an sich liegt, als an ihr. Ich würde gerne mal sehen, wie sie sich in einer ‚richtigen‘ Musicalrolle schlägt. Johnny, gespielt von Dániel Rákasz, wirkte auf mich in keinster Weise anziehend oder irgendwie sexy. Er ist ein guter Tänzer, aber das war’s dann wohl auch schon. Am besten gefallen hat mir überraschenderweise Marie-Luisa Kaster (Penny Johnson), die, trotz Schauspieltalent eines Backfisches, eine tolle Ausstrahlung auf der Bühne hatte und abgesehen davon, dass sie eine fantastische Tänzerin ist, auch noch wunderhübsch aussieht. Katja Hentschel und Steffen Laube als Elternpaar Houseman agierten rollendeckend, wobei ich ehrlich überrascht war, dass Laube so gut singen kann. Johanna Spantzel strahlt auf der Bühne und ist wirklich toll, ihre Rolle bleibt aber unklar: Ist sie jung, unbeholfen und deshalb (unfreiwillig) komisch oder eine männerverschlingende Sexbombe? Auch der Rest der Cast, unter anderem Matthias Zeeb (Robbie Gould), Rune Høck Møller (Billy Kostecki), Fritz Hille (Max Kellerman), Damian Czarnecki (Neil Kellerman), Josephine Müller (Vivian Pressman), Mike Ho-Sam-Sooi (Tito Suarez) und Giso Weißbach (Mr. Schumacher), agierten rollendeckend und zeigten eine solide Leistung.
Insgesamt kann ich nicht sagen, dass mich die Show enttäuscht hat, ich habe ja immerhin nichts sonderlich Positives erwartet und genau das habe ich bekommen. Sollte ich also zufrieden sein?! Zwar hat mir die flache Handlung immer noch besser gefallen, als die Nicht-vorhanden-Handlung bei Cats, aber obwohl ich normalerweise ein sehr emotionaler Mensch bin und es schaffe, bei jeder Gelegenheit zu heulen wie ein Baby, war ich hier überhaupt nicht berührt. Bleibt nur zu hoffen, dass ‚Ich war noch niemals in New York‘ als Nachfolger in Oberhausen einen besseren Eindruck hinterlässt und dem Theater nicht das gleiche Schicksal droht, wie dem Colosseum in Essen.

Samstag, 7. April 2012

Wicked, Scheveningen, 31. März 2012

Credit: Stage Entertainment
Perfekt. Anders kann man das, was ich gesehen habe wohl nicht beschreiben. Nach mehr als 20 Vorstellungen, die ich von dem Stück bereits in verschiedenen Produktionen gesehen habe, hat mich diese wohl mit Abstand am meisten begeistert, denn es hat einfach alles gestimmt: Die Besetzung, das Orchester, das Theater und nicht zuletzt der Sitzplatz. Reihe 6 Mitte, 69€, gekauft eineinhalb Stunden vor der Show, geniale Sicht auf die Bühne, der perfekte Überblick. Nach fünfmonatigem ‚Verzicht‘ bekam ich schon bei der Ouvertüre eine kleine Gänsehaut, denn erst jetzt wurde mir bewusst, wie sehr ich die Show eigentlich vermisst hatte.
Chantal Janzen ist ohne Frage der Star der Produktion und als ‚Holland’s Darling‘ wohl prädestiniert für die Rolle der Glinda, die sie scheinbar mühelos füllt. Zwar wirken die Anfangstöne (noch) minimal unsicher und bei mir schwingt immer ein wenig die Angst mit, dass ihr gleich die Stimme versagt, doch sie schafft es mit Anmut und danach geht es sehr schnell sehr steil bergauf. Sie holt so unglaublich viele komische Momente aus dieser Rolle heraus, wie es mir vorher nie möglich erschien, und auch wenn sie manchmal schon leicht an der ‚too much‘-Grenze schrammt, so überwiegt doch der Spaß, den sie mit ihrer Darstellung auslöst. Wunderbar ignorant, selbstverliebt und stellenweise ein bisschen ‚socially awkward‘ (wenn sie zum Beispiel am Anfang von ‚Tanz durch die Welt‘ versucht, Fiyeros Hand zu greifen, wenn er nicht schaut – lauter so kleine Gesten) ist sie eine Glinda, wie ich sie mir immer gewünscht habe, denn bei all der Witzigkeit schafft sie trotzdem glaubhaft die Wandlung, die die Rolle durchmacht; die Erste, bei der ich das wirklich so schön erkennen konnte.

Credit: Roy Beusker

Ihr gegenüber stand Renée van Wegberg als Elphaba. Schon allein ihre äußere Erscheinung passt zu der Rolle, wie Rosa zu Grün: groß, dünn, schon fast schlaksig, hübsch auf eine dezente Art und Weise, im ersten Moment vielleicht ein wenig unscheinbar und sogar die Hautfarbe steht ihr super. Die Lieder passen wunderbar zu ihrer Stimme und die eine oder andere Unsicherheit sei ihr verziehen, denn so viele Shows hat sie ja auch noch nicht unbedingt gespielt – dafür war die Interpretation wirklich sehr ausgereift. Jede Sekunde habe ich ihr die Rolle vollkommen abgekauft und konnte gar nicht genug davon kriegen. Ich meine, dass sie gut ist, hatte ich ja (natürlich) erwartet, aber dass sie das Ding so rockt; wow! Hoffentlich sehe ich sie bei meinem nächsten Besuch im holländischen Oz auch, denn auch wenn Willemijn ohne Frage genial in dieser Rolle ist, gefällt mir Renée wohl doch besser, gerade weil sie nicht völlig makellos ist.
Jim Bakkum als Fiyero ist… okay, aber mehr irgendwie auch nicht. Abgesehen davon, dass mich noch kein Darsteller in dieser Rolle wirklich vom Hocker gerissen hat, geht er zwischen den beiden Damen richtig unter und wirkt ziemlich blass, sowohl stimmlich, als auch darstellerisch, obwohl er optisch schon in die Rolle passt.
Vollends überzeugt hat mich hingegen John ter Riet als Zauberer. Zwar ist er nicht Erstbesetzung, sollte es meiner Meinung nach aber auf jeden Fall sein, denn er hat mir die Rolle, die mir im Stück normalerweise am wenigsten gefällt, so schmackhaft gemacht, dass ich mich immer wieder darauf gefreut habe, wenn er auf die Bühne kam. Nicht nur seine Stimme hat mir echt gefallen, sogar die Tanzeinlage bei „Wundervoll“ wirkten bei ihm in keinster Weise aufgesetzt, sondern total natürlich und zum ersten Mal habe ich mich bei dem Song nicht zu Tode gelangweilt.
Als seine miese Handlangerin stand mit Penny Vos ebenfalls ein Cover auf der Bühne. Alles in allem hat sie mir ganz gut gefallen und die Rolle zufriedenstellend abgedeckt.
Viel zu kurz kam mir im Stück definitiv Christanne de Bruijn (Nessarose). Schon allein äußerlich ist sie ideal, denn sie ist wirklich eine ‚klassische Schönheit‘, ihre Stimme ist glasklar und auch schauspielerisch schöpft sie die Rolle voll aus. Ich finde bei ihr vorallem die ‚Böse Hexe des Ostens‘-Szene toll, denn bei ihr erscheint es wirklich so, als würde sie nach Elphabas Zauber das erste Mal überhaupt laufen und auch danach schwankt sie immer noch ein wenig, das hat mich zum Beispiel bei den (meisten) deutschen Nessas gestört, die sind dann nämlich sofort ‚normal‘ gelaufen. Eindrucksvoll auch wie sie richtig aus der Haut fährt, nachdem Moq ihr gesteht, dass er zu Glinda will.
Eben erwähnter wurde von Niels Jacobs gespielt und der hat mir echt richtig richtig richtig gut gefallen. Er stellt wunderbar die Verliebtheit dar, die er für Glinda empfindet, die Tatsache, dass er alles für sie tun würde. In ihrer Nähe ist er unbeholfen und stellenweise peinlich, später resigniert; diesen Wandel zeigt er wunderbar.
Die Riege der Hauptdarsteller wird von Jochem Feste Roozemond als Dr. Dillamond komplettiert, der seine Rolle gut zu füllen weiß.

Credit: Roy Beusker

Insgesamt ist das gesamte Ensemble durchweg hochwertig besetzt, die Orchestrierung hat sich im Vergleich zu Oberhausen stellenweise zum Positiven (zurück-)verändert – so zum Beispiel bei „Gutes tun“ – und auch die Übersetzung ist durchaus gelungen. Ich kann nur jedem wärmstens empfehlen, sich die Show in Scheveningen anzusehen, denn im Vergleich zu Oberhausen hat sie wirklich wieder extrem gewonnen und schließlich ist Wicked schlicht und einfach ein unfassbar schönes Musical.