Dienstag, 10. Juli 2012

Marie Antoinette, Tecklenburg, 6. Juli 2012

Credit: Freilichtbühne Tecklenburg
Roberta Valentini; das fasst den Abend eigentlich ziemlich gut zusammen. 
Für diejenigen, die jetzt verwirrt die Besetzung ergooglen und sich fragen, was zur Hölle ich geraucht habe, dass ich die gute Frau Valentini mit Anna Thorén verwechsle, hier eine kleine Erklärung: Da Anna leider kurzfristig krank geworden war, haben sie mal eben Roberta als Ersatz organisiert. Klingt erst noch relativ normal, doch Roberta hat lediglich den Gesangspart übernommen – aus dem Orchestergraben. Denn die tapfere Anna stand trotz Erkältung in der Rolle der Marie Antoinette auf der Bühne und hat somit praktisch ‚Live-Playback‘ gesungen. Ich persönlich hatte mich ehrlich gesagt auf eine Totalkatastrophe eingestellt, im Endeffekt hat die ganze Sache aber erstaunlich gut geklappt und, obwohl es am Anfang wirklich ein bisschen komisch war (vor allem der Bruch zwischen Akzent/kein Akzent), ist es hinterher gar nicht mehr so arg aufgefallen.
Von meinem Platz aus konnte ich Roberta unten im Graben auch sehen, was mich teilweise enorm vom eigentlichen Stück abgelenkt hat, denn sie war echt mit Herz und Seele dabei und musste an einigen Stellen sogar das ein oder andere Tränchen verdrücken. Anna hat auf der Bühne ebenso ihr bestes gegeben und man konnte ihr ehrlichgesagt so gut wie keine Sekunde anmerken, dass sie eigentlich krank war – Respekt!
Credit: Heiner Schäffer
Dieser spontane Tausch war jedoch nicht die einzige Besetzungsänderung am Abend – 5 Minuten vor Showbeginn fiel mir siedend heiß ein, dass Premiere von Die Päpstin ist und Sabrina Weckerlin dementsprechend wohl eher nicht da sein würde. So war es dann auch und stattdessen stand Marion Furtner als Margrid Arnaud auf der Bühne. Da ich Marie Antoinette an dem Abend zum ersten Mal gesehen habe, kann ich keinen wirklichen Vergleich zu Sabrina ziehen, aber ich kenne natürlich ihre Stimme und muss sagen, dass ich bei Marion stellenweise die unglaubliche Kraft von Sabrina vermisst habe. Außerdem fand ich sie irgendwie… zu niedlich. Für mich muss die Rolle vom ersten Eindruck her einfach ein bisschen stärker und durchsetzungsfähiger sein; vielleicht zeigt das ja Sabrina. Insgesamt war Marion aber auf keinen Fall schlecht.
Mein persönliches Highlight schlechthin war definitiv und unangefochten Wietske van Tongeren, die mit einer wunderbar klaren, warmen Stimme und tollem (dezentem!) Schauspiel in der Rolle der Nonne Agnés Duchamps auf ganzer Linie überzeugt. Sogar in der Kluft sieht sie unfassbar hübsch (und neuerdings viel dünner als vorher) aus und könnte meiner Meinung nach durchaus noch ein paar mehr Auftritte im Stück vertragen. Besonders berührt hat sie mich am Ende: Direkt vor mir stehend, konnte ich genau beobachten, wie sie ganz langsam zu weinen begonnen hat – da habe ich dann aus Solidarität gleich mal mitgemacht.
Weniger überzeugen konnte hingegen Yngve Gasoy-Rømdal als Guiseppe Balsamo/Cagliostro. Oft konnte man ihn nur schlecht verstehen und auch seine Stimme hat mir diesmal nicht so unbedingt gefallen.
Credit: Freilichtbühne Tecklenburg
Patrick Stanke (Graf Axel von Fersen) konnte sein volles Potenzial nicht ganz ausschöpfen, was jedoch weniger an ihm als vielmehr an der Rolle an sich liegt. Er hat jedoch so viel herausgeholt wie möglich und wie immer mit einer grandiosen Stimme brilliert.
Die positive Überraschung des Abends war wohl Frank Winkels als Louis XVI., der super schön und sehr angenehm singt. Vorher kannte ich ihn wirklich überhaupt nicht, aber seine Performance hat mich wirklich begeistert, auch wenn die Rolle an sich vielleicht nicht unbedingt die tollste ist.
Nicht nur als Darsteller (Herzog von Orléans), sondern auch als Regisseur hat Marc Clear auch in diesem Jahr mal wieder ganze Arbeit geleistet. Man merkt eben, dass er das Stück schon gespielt hat und deshalb weiß, was verbessert/verändert werden musste.
Credit: Freilichtbühne Tecklenburg
Was mich in Tecklenburg schon bei 3 Musketiere 2010 (Gott, das ist auch schon wieder 2 Jahre her…!) begeistert hat, ist das riesige Ensemble – zusammen mit der recht großen Bühne wirkt das sehr imposant. Und obwohl das Bühnenbild ja vom Prinzip her jedes Jahr so ziemlich das gleiche ist, gefällt es mir dieses Jahr (bis auf die abscheulichen roten Samtvorhänge) besonders gut und auch die Kostüme sind wirklich gut gelungen. Ich kann jedem nur empfehlen, sich das Musical in Tecklenburg anzusehen, denn auch, wenn ich das Stück definitiv für das schwächste von Kunze/Levay halte, ist diese Inszenierung überaus gelungen und macht jetzt schon gespannt, ob Hairspray, das ich mir noch nicht so recht auf der Freilichtbühne vorstellen kann, auch so gut gelingt.